Alles einsteigen in den Prada-Express! Letzte Woche erreichte die vierte Ausgabe von **Prada Frames** – ein jährliches Symposium für interdisziplinäre Diskussionen, das parallel zum **Salone del Mobile** in Mailand stattfindet – den **Centrale**-Bahnhof der Stadt. Dort wurden aktuelle gesellschaftliche Fragen durch die Linse von Design und Kultur beleuchtet.

Jedes Jahr wird die Veranstaltung von **Formafantasma** kuratiert, dem Design- und Forschungsstudio der Gründer **Andrea Trimarchi** und **Simone Farresin** aus dem Jahr 2009. Ihre Arbeit erkundet natürliche wie auch gebaute Umgebungen und sucht nach neuen materiellen und sozialen Möglichkeiten. Abseits der üblichen Möbel- und Wohnaccessoire-Präsentationen der Designwoche hat sich der Ansatz von Farresin und Trimarchi für **Prada Frames** über die letzten vier Jahre weiterentwickelt. Die Ausgabe 2022, **On Forest**, untersuchte die ökologische, kulturelle und philosophische Bedeutung von Wäldern. Es folgten 2023 **Materials in Flux** und im letzten Jahr **Being Home**, die sich mit Materialität, Häuslichkeit und sozioökonomischen Systemen beschäftigten. Jede Veranstaltung schuf eine intime Atmosphäre.

Das diesjährige Thema, **In Transit**, konzentrierte sich auf die sichtbaren und unsichtbaren Infrastrukturen, die unseren Alltag prägen. *„Uns interessiert nicht nur, wie Objekte gestaltet werden, sondern auch die Systeme, die sie unterstützen und bewegen“*, sagt Trimarchi.

Der Veranstaltungsort spiegelt stets das Thema wider. Frühere Locations waren ein neorenaissancistisches Hausmuseum aus dem 19. Jahrhundert und das historische **Teatro Filodrammatici** in Mailand. Für 2025 fand ein Teil des Symposiums im **Arlecchino**-Zug statt, entworfen von **Gio Ponti** und **Giulio Minoletti** – ein Symbol des italienischen Nachkriegsdesigns und der **La Dolce Vita**-Ära – während andere Gespräche im königlichen Pavillon des Bahnhofs stattfanden, einst reserviert für Monarch:innen und Staatsoberhäupter. *„Das sind nicht einfach Locations – sie sind Teil der Erzählung“*, erklärt Trimarchi. *„Sie verkörpern Mobilität und Infrastruktur als greifbare, historische Realitäten. Wir wollen, dass die Menschen sich in den Systemen, über die wir sprechen, wiederfinden.“*

Seit **Being Home** verzichtet das Symposium auf visuelle Hilfsmittel und konzentriert sich ganz auf die Sprecher:innen. *„Das fördert Intimität und reinen Ideenaustausch – ein Kontrast zum hochvisuellen Charakter der meisten Salone-Events“*, so Trimarchi.

Die Vorträge behandelten ambitionierte Themen, von KI und Grenzen bis zu Klimagerechtigkeit, Raumfahrt und globaler Politik. Eine Diskussion mit der Astrophysikerin **Ersilia Vaudo** und dem Autor **Nick Hunt** (**Where the Wild Winds Are**) erkundete Navigation auf der Erde und im Weltraum und untersuchte, wie Windrouten und planetare Grenzen diese Reisen prägen. *„Raumfahrt ist kein rein wissenschaftlicher Traum mehr – sie ist eine geopolitischen Bühne“*, bemerkte Vaudo. *„Ob wir den Mars erreichen oder nicht, es dehnt unsere Vorstellungskraft.“*

Farresin hofft, dass die Gäste mit einem *„kritischen Bewusstsein“* dafür gehen, wie Design und Systeme Bewegung und Zugang beeinflussen. *„Diese Systeme sind nicht neutral – Design kann sie entweder verstärken oder neu denken“*, sagt er. Die Auswahl der Sprecher:innen spannt bewusst verschiedene Disziplinen – Design, Ökologie, Digitaltheorie, Architektur, Aktivismus – um Debatten anzuregen. *„Wir haben auf Spannung und Reibung kuratiert“*, erklärt Farresin. *„Das Ziel war, Grenzen aufzulösen und neue Fragen zu provozieren.“*

Die britische Designkritikerin und Autorin **Alice Rawsthorn** ist seit Beginn bei **Prada Frames** dabei. Sie stimmt zu, dass diesjährige Thema etwas Essenzielles berührt, das selten aus Designperspektive betrachtet wird. *„Prada Frames versammelt konsequent brillante Köpfe, um vielfältige Themen zu erkunden“*, sagt sie. *„Jedes Jahr gehe ich mit neuen Einsichten über die Rolle von Design in unserem Leben davon.“*

Wie immer steht **Miuccia Prada** selbst im Zentrum der Initiative. *„Von Anfang an hat sie uns gedrängt, Inhalt über alles andere zu stellen“*, erklärt Farresin. *„Sie sieht das nicht als Marketing, sondern als forschungsgetriebenes Kulturprojekt. Ihr Vertrauen in das Publikum, komplexe Ideen zu verstehen, ist ungewöhnlich und inspirierend. Diese Zusammenarbeit hat uns so viel gelehrt – hier definiert der Lernprozess selbst den Erfolg.“*

Beim diesjährigen **Salone del Mobile** inszenierte **Formafantasma** zudem **Staging Modernity**, eine Performance-Installation mit der historischen italienischen Marke **Cassina** und Regisseur **Fabio Cherstich** (mit Kostümen von **Jil Sander**) im **Teatro Lirico Giorgio Gaber** in Mailand. *„Es würdigt modernistische Prinzipien, hinterfragt aber ihre heutige Relevanz“*, sagt Trimarchi. *„Es fordert uns auf, eine ökologischere Designzukunft zu imaginieren und erweitert unsere fortlaufende Studie, wie Objekte und Systeme verwoben sind.“*

Systemisches Denken prägt oft die Arbeit des Duos. Farresin nennt **Cambio** (2020), ihre vom **Serpentine Gallery** in Auftrag gegebene Studie zum Holzhandel, die Möbel aus einem vom Sturm gefällten italienischen Baum einschloss – zugleich ein Relikt des Klimawandels und eine Meditation über Materialflüsse. Ihr aktuelles Projekt, **Oltre Terra** im **Stedelijk Museum** Amsterdam, untersuchte Wollproduktion und Mensch-Tier-Beziehungen. *„Wir erforschen Ursprünge und Wege, nicht nur fertige Objekte“*, betont Farresin. **In Transit** setzt diesen größeren Dialog fort: *„Wir interessieren uns für Verbindungen – wie Dinge und Menschen zusammenhängen.“*

Die **Milan Design Week** wird jedes Jahr voller mit Modemarken, doch Trimarchi und Farresin suchen leisere Momente. *„Spektakel ist weniger wichtig als unerwartete Tiefe – eine Studentenausstellung mit echten Kritiken, ein Gespräch, das das Denken verschiebt“*, sagt Trimarchi. *„Der Salone kann ermüdend sein, aber er überrascht mit Großzügigkeit.“*

Hauptsache, man verpasst nicht seine Haltestelle.